Ausgleichsenergie ist die Energiemenge, mit der Übertragungsnetzbetreiber kurzfristige Abweichungen zwischen geplanter Einspeisung/Entnahme und tatsächlichem Verbrauch/Erzeugung im Stromsystem ausgleichen. Basis ist der Bilanzkreis: Für jede 15‑Minuten‑Zeitscheibe meldet der Bilanzkreisverantwortliche einen Fahrplan. Entsteht ein Unterdeckung (zu wenig Strom im Kreis), muss das Netz positive Ausgleichsenergie bereitstellen; bei Überdeckung (zu viel Strom) wird negative Ausgleichsenergie aufgenommen. Ziel ist, die Netzfrequenz stabil bei 50 Hz zu halten.
Zur Bereitstellung aktivieren die Netzbetreiber Regelenergieprodukte (z. B. Primär‑, Sekundär‑, Minutenreserve) und beschaffen fehlende Mengen am kurzfristigen Handel. Aus den dabei entstehenden Kosten/Erlösen wird ein Ausgleichsenergiepreis ermittelt, der dem Bilanzkreis zugeordnet wird. Dieser Preis kann stark schwanken – besonders in knappen Situationen – und setzt so einen Anreiz für genaue Prognosen und eine saubere Fahrplanbewirtschaftung.
Warum ist das wichtig? Für Energielieferanten wirkt Ausgleichsenergie direkt auf die Beschaffungskosten; ineffizientes Portfoliomanagement verteuert Endkundentarife. Umgekehrt können flexible Verbraucher und Anlagen helfen, Abweichungen zu reduzieren: steuerbare Lasten (Wärmepumpe, E‑Auto, Speicher) oder erneuerbare Erzeuger mit guter Prognose verringern Bilanzkreisfehler. In dynamischen Stromtarifen spiegeln sich Systemknappheiten teils im Endkundenpreis wider – Ausgleichsenergie ist dann ein Baustein der kurzfristigen Preisbildung.
Abgrenzung: Ausgleichsenergie ist nicht mit „Strafzahlungen“ gleichzusetzen, sondern die marktwirtschaftliche Verrechnung der Systemstützung. Sie unterscheidet sich von Netzentgelten, Umlagen und Steuern. Auch von Regelenergie ist sie zu unterscheiden: Regelenergie ist das aktivierte Produkt; Ausgleichsenergie ist der finanzielle und mengenmäßige Ausgleich im Bilanzkreis infolge dieser Aktivierungen und Kurzfristhandels.
Praxistipp: Für Haushalte lohnt der Blick in die Tarifbedingungen: Wie werden kurzfristige Preisspitzen behandelt? Gibt es Preisdeckel, Zeitfenster oder automatische Lastverschiebung via Smart‑Home/Wallbox? Wer flexible Verbräuche in weniger knappen Zeiten nutzt, senkt langfristig Kosten und stabilisiert das System.
