Gerade bei der Berufsunfähigkeitsversicherung entscheiden saubere, vollständige Antworten auf die Gesundheitsfragen nicht nur über die Annahme, sondern häufig auch über deinen Beitrag – und damit über spürbares Geld im Monat. Wer hier strukturiert vorgeht, vermeidet unnötige Risikozuschläge und Ausschlüsse und verhindert teure Fehlentscheidungen. Kurz: Präzise Angaben sind kein bürokratischer Ballast, sondern die einfachste Sparmaßnahme im BU‑Antrag. Wie groß ihr Einfluss ist, zeigt der nächste Abschnitt:
Warum Gesundheitsfragen so kritisch sind
Die Gesundheitsfragen bilden die Basis für die Risikoprüfung der Versicherer. Sie sollen klären, wie wahrscheinlich es ist, dass du während der Vertragslaufzeit berufsunfähig wirst. Unvollständige oder falsche Angaben können zu Risikozuschlägen, Ausschlussklauseln, Leistungsstörungen im Leistungsfall oder sogar zur Vertragsauflösung (Rücktritt oder Anfechtung wegen arglistiger Täuschung) führen. Zugleich ist es dein gutes Recht, nur das zu offenbaren, was konkret gefragt ist – nicht mehr, aber eben auch nicht weniger.
Wer hier sauber arbeitet, hat drei Vorteile: erstens eine faire Einstufung, zweitens weniger Rückfragen, drittens eine höhere Rechtssicherheit im Leistungsfall. Der Schlüssel ist Vorbereitung: Unterlagen sammeln, Begrifflichkeiten verstehen und Antworten präzise formulieren.
Was wird typischerweise gefragt?
Die meisten Versicherer fragen nach ambulanten Behandlungen, stationären Aufenthalten, psychischen Beschwerden, Rücken‑/Gelenkproblemen, chronischen Erkrankungen, Medikamenteneinnahmen, Unfallfolgen, Sucht, BMI/Größe/Gewicht und nach aktuellen Beschwerden. Abgefragt werden oft bestimmte Zeiträume (sogenannte „Anzeigefristen“). Diese Fristen variieren je nach Gesellschaft und Fragebogen.
Kurzüberblick der häufigen Abfragezeiträume (Beispiele, je nach Versicherer abweichend):
| Themenbereich | Typische Abfragezeit | Beispiele | 
| Ambulante Behandlungen | 3–5 Jahre | Hausarzt, Orthopäde, Physiotherapie | 
| Stationäre Aufenthalte/OP | 5–10 Jahre | Krankenhaus, Reha, Operation | 
| Psychotherapie/psych. Beschwerden | 5–10 Jahre | Beratung, Diagnosen (z. B. Depression, Burnout) | 
| Medikamente | 12–24 Monate (teils länger) | Regelmäßige Einnahmen, Dauermedikation | 
Hinweis: Manche Fragebögen fragen statt fixer Jahre nach „je seit Beginn“ bei bestimmten Diagnosen (z. B. Krebs, MS, Diabetes). Maßgeblich ist immer der exakte Wortlaut deiner Antragsfragen.
Vorarbeit: Unterlagen zusammensuchen (Checkliste)
Wer lückenlos antworten will, braucht Quellen. Diese Unterlagen kannst du meist online im Patientenportal deiner Praxen/Kliniken oder über deine Krankenkasse anfordern. Damit beschleunigst du Nachfragen und reduzierst Fehler.
- Behandlungs‑ und Diagnoselisten deiner Haus‑ und Fachärzte (Befunde, ICD‑Codes, Therapieberichte)
- Arzt‑/Krankenhausentlassungsberichte, OP‑Berichte, Reha‑Zusammenfassungen
- Medikamentenübersichten (E‑Rezept‑Historie), Verordnungen für Physio/Ergo, AU‑Historie
- Impfausweis, Allergiepass, Röntgen/MRT‑Berichte, aktuelle Laborwerte
- Versicherte: Leistungsübersicht der Krankenkasse (z. B. Behandlungshistorie der letzten 5–10 Jahre)
Begriffsklärung: „behandelt“, „beraten“, „beschwerdefrei“
Im Antrag zählt der Wortsinn der Frage – und der ist enger (oder weiter), als man denkt:
„Behandelt“ meint aktive medizinische Maßnahmen (Diagnostik, Therapie, Medikation). „Beraten“ umfasst auch Gespräche ohne Diagnose oder Rezept, z. B. eine ärztliche Einschätzung zu Rückenschmerzen. „Beschwerdefrei“ bedeutet: keine Symptome, keine Einschränkungen und keine laufende Behandlung. Eine einmalige, harmlose Episode ohne Arztkontakt gehört in der Regel nicht in Antworten, sofern nicht nach „Beschwerden“ unabhängig von Arztkontakt gefragt wird. Umgekehrt kann eine scheinbar banale Sache (z. B. wiederkehrende Verspannungen mit AU) durchaus anzugeben sein.
So antwortest du korrekt – in 5 Schritten
- Wortlaut prüfen: Lies jede Frage wörtlich. Bezieht sie sich auf Diagnosen, Beschwerden, Behandlungen oder Medikamente – und auf welchen Zeitraum?
- Zeitleiste bauen: Ergänze für jede relevante Position: Datum/Zeitraum, Arzt/Einrichtung, Diagnose (falls vorhanden), Maßnahmen, Ergebnis.
- Einordnung liefern: Kurz erklären, was die Ursache war, ob es Folgeereignisse gab und wie der aktuelle Status ist (z. B. vollständig abgeklungen, ohne Einschränkung, keine Medikation).
- Belege bereitlegen: Befunde und Arztbriefe geordnet bereithalten. Bei Rückfragen kannst du sie nachreichen oder mit Einwilligung direkt anfordern lassen.
- Neutral bleiben: Keine Spekulationen, keine Selbstdiagnosen. Fakten + aktueller Status reichen. Schreibe präzise in Stichsätzen, aber vollständig.
Typische Stolperfallen – und wie du sie vermeidest
Viele Antragsfehler passieren nicht aus Absicht, sondern aus Unschärfe. Mit diesen Hinweisen reduzierst du Risiken deutlich:
- Bagatell‑Falle: „War ja nur einmal.“ – Wenn nach Beschwerden oder Beratungen gefragt wird, gehören auch „Kleinigkeiten“ mit Arztkontakt hinein.
- Zeitfenster‑Irrtum: Angaben landen außerhalb der Anzeigefrist. Prüfe immer, ob 3/5/10 Jahre gelten – und ab welchem Stichtag.
- Vergessene Medikation/Überweisung: E‑Rezepte, Physio‑Verordnungen, ärztliche Überweisungen sind oft in Portalen abrufbar – nachtragen, statt weglassen.
Sonderfälle im Fokus
Bei Sonderfällen achten Versicherer besonders auf Kontext und aktuelle Belastbarkeit. Lege deshalb kurz und sachlich dar, wann und warum die Beschwerden auftraten, welche Diagnostik/Therapie erfolgte und wie der Status heute ist (z. B. beschwerdefrei, ohne Medikation, voll belastbar). Erwähne, ob Rückfälle ausblieben und ob Sport/Alltag uneingeschränkt möglich sind – das verbessert die Risikoeinschätzung und kann Zuschläge oder Ausschlüsse verhindern. Reiche aussagekräftige Arztbriefe und Entlassberichte geordnet mit, dann lassen sich Missverständnisse vermeiden und Entscheidungen beschleunigen.
Psychotherapie und mentale Gesundheit
Psychische Themen sind sensibel und werden genau geprüft. Entscheidend ist die Transparenz: Art der Behandlung (Beratung, Coaching, Psychotherapie nach Richtlinie), Dauer, Diagnose (falls vorhanden), aktueller Zustand, Rezidivfreiheit. Viele Antragsformulare differenzieren zwischen vorübergehenden Belastungen (z. B. Trauerreaktion) und behandlungsbedürftigen Störungen. Eine saubere Darstellung mit Abschlussbericht kann helfen, Ausschlüsse zu vermeiden.
Rücken, Gelenke und Sportverletzungen
Rückenbeschwerden zählen zu den häufigsten BU‑Ursachen – entsprechend genau fragen Versicherer nach. Wichtig sind genaue Angaben zu Diagnosen (z. B. LWS‑Syndrom, Bandscheibenvorfall), Grad der Einschränkung, Bildgebung (MRT/CT) und aktueller Status. Bei vollständig abgeklungenen Sportverletzungen mit dokumentierter Heilung sind Annahmen oft problemlos.
Allergien, Asthma, Haut
Hier interessieren Auslöser, Schweregrad, Medikation (Bedarf vs. Dauertherapie) und Exazerbationen. Saisonale Allergien mit rein bedarfsweiser Behandlung werden häufig neutral bewertet, schwere Asthma‑Verläufe hingegen genauer.
Infektionen & Spätfolgen (z. B. COVID‑19)
Gib Hospitalisierungen, längere Arbeitsunfähigkeiten oder anhaltende Symptome an. Wenn vollständig beschwerdefrei, hilft eine klare Datierung von Verlauf/Ende.
Anonyme Risikovoranfrage: erst prüfen, dann entscheiden
Bevor du irgendwo „fest“ beantragst, lässt sich mit einer anonymisierten oder pseudonymisierten Risikovoranfrage klären, zu welchen Konditionen dich Versicherer voraussichtlich annehmen (normal, mit Zuschlag, mit Ausschluss – oder gar nicht). Vermittler reichen dafür deine Fakten (ohne Klarnamen, ohne Anschrift, ohne Geburtsdatum) bei mehreren Gesellschaften ein. Du erhältst ein Votum und kannst gezielt den Antrag platzieren. Vorteil: keine Einträge in Hinweispools durch abgelehnte Anträge und bessere Vergleichbarkeit.
So eine Voranfrage funktioniert am besten, wenn deine Unterlagen bereits strukturiert sind: Zeitleiste, Diagnosen, Status heute, Befunde in Kopie. Dann können Risikoprüfer schnell, fair und auf Basis identischer Informationen entscheiden.
Wenn schon ein Antrag lief: Nachmeldung, Rücktritt, Anfechtung
Hast du einen Antrag bereits gestellt und dir fällt später eine vergessene Angabe ein, solltest du diese unverzüglich nachmelden. Solange noch keine Annahme erfolgt ist, ist eine Korrektur unkritisch. Nach Policierung kann eine Anzeigeobliegenheitsverletzung zu Vertragsänderungen führen (z. B. Zuschlag oder Ausschluss), im Extremfall zum Rücktritt oder – bei arglistiger Täuschung – zur Anfechtung. Für dich entscheidend: Guter Glaube schützt, wenn die Frage objektiv missverständlich war und du dich redlich bemüht hast. Dokumentiere daher deine Herangehensweise (Unterlagenanforderung, Notizen) und hebe Korrespondenz auf.
Zuschlag, Ausschluss oder Ablehnung – was nun?
Nicht jede Vorerkrankung führt zur Ablehnung. Häufige Ergebnisse der Risikoprüfung sind Risikozuschläge (prozentuale Mehrprämie) oder Ausschlussklauseln für bestimmte Bereiche (z. B. chronischer Rücken). Frage nach Begründung und ob/ab wann eine Nachprüfung möglich ist (z. B. nach 3 Jahren beschwerdefreiem Verlauf). Manche Gesellschaften akzeptieren Atteste, um Ausschlüsse zu entschärfen. Lehnen mehrere Versicherer ab, kann eine Dienstunfähigkeits‑ oder **Dread‑Disease‑**Absicherung als Brücke dienen – mit anderen Leistungsmechaniken, aber ggf. hilfreichem Basisschutz.
BU über den Arbeitgeber (Gruppen‑ oder Betriebs‑BU)
In Kollektivverträgen (bAV/Gruppen‑BU) sind Gesundheitsfragen oft vereinfacht oder entfallen bei kleinen Renten. Prüfe, ob es in deinem Unternehmen Zeitfenster mit erleichterter Aufnahme gibt (z. B. „ohne Gesundheitsprüfung bis X € BU‑Rente“). Bedenke: Wechselst du den Arbeitgeber, ist die Portabilität und Nachversicherung zu klären. Eine private BU mit sauberem Antrag bleibt der robusteste, lebenslange Schutz – der Gruppenvertrag kann ergänzen, aber selten ersetzen.
Datenschutz & Schweigepflichtentbindung
Versicherer dürfen nur Informationen erheben, die für die Risikoprüfung erforderlich sind – und nur mit deiner Einwilligung. Moderne Formulare bieten differenzierte Entbindungen: allgemein, fallbezogen oder zeitlich beschränkt. Du kannst verlangen, dass die Anforderung medizinischer Unterlagen über dich läuft, damit du sie vorher prüfen kannst. Das verlangsamt zwar den Prozess, gibt dir aber Kontrolle über Vollständigkeit und Kontext.
Beispiele: drei prägnante Musterantworten
Die folgenden Musterantworten zeigen, wie du komplexe Angaben kurz, chronologisch und für Risikoprüfer*innen gut nachvollziehbar formulierst. Führe immer Zeitraum, Ärztin/Arzt bzw. Einrichtung, Diagnose (falls vorhanden), Maßnahmen und Ergebnis auf – und benenne klar den Status heute. Verzichte auf Mutmaßungen oder Selbstdiagnosen; nenne nur belegbare Fakten und Zahlen. Nutze die Beispiele als Vorlage und passe sie präzise auf deinen Fall an, damit dein BU‑Antrag sauber und widerspruchsfrei wirkt.
Beispiel 1 – akute, abgeklungene Beschwerde (Rücken):
Frage: „Wurden Sie in den letzten 5 Jahren wegen Rückenbeschwerden behandelt oder beraten?“
Antwort: „01/2023–03/2023, Hausarztpraxis Dr. X: akutes LWS‑Syndrom nach Umzug. 6× Physiotherapie, Ibuprofen als Bedarf. Keine Bildgebung. Seit 04/2023 beschwerdefrei, keine Medikation, sportlich aktiv (Rumpftraining). Keine Rückfälle.“
Beispiel 2 – psychische Belastung, abgegrenzt:
Frage: „Bestehen oder bestanden in den letzten 10 Jahren psychische Erkrankungen, Beratungen oder Behandlungen?“
Antwort: „09/2021–12/2021, 4 Sitzungen psychologische Beratung nach Trauerfall, keine Diagnose nach ICD, keine Medikation. Seit 01/2022 stabil, beruflich voll belastbar, keine Folgekontakte.“
Beispiel 3 – chronische Erkrankung, stabil:
Frage: „Wurden bei Ihnen in den letzten 5 Jahren Erkrankungen von Atemwegen/Allergien festgestellt oder behandelt?“
Antwort: „Seit Kindheit saisonale allergische Rhinitis (Gräser). Bedarfsmedikation Cetirizin in Pollensaison, kein Asthma, keine AU, keine Notfallbehandlungen. Letzte ärztliche Beratung 05/2024, seitdem unverändert, Alltag/Job uneingeschränkt.“
Mini‑FAQ zu Gesundheitsfragen
Muss ich alles angeben, was je war? Nein. Nur das, was in den Fragen gefordert ist (Art + Zeitraum). Außer bei Fragen „bestehen oder bestanden jemals …“, dann gilt „ever“.
Was, wenn ich Unterlagen nicht rechtzeitig bekomme? Antworte mit den dir gesicherten Fakten und kennzeichne offene Punkte („Unterlagen angefordert am …, reiche nach“). Transparenz ist besser als Schweigen.
Hilft ein Makler/Vermittler wirklich? Ja, vor allem bei der anonymen Voranfrage und beim Formulieren sauberer, vollständiger Antworten. Außerdem kennen Profis die Spielräume der Risikoprüfung.
Sind Lifestyle‑Themen (Sportarten, Reisen) relevant? Wenn explizit gefragt wird – ja. Extremsport, häufige Langstreckenreisen, Tauchscheine usw. können relevant sein.
Soll ich Selbsteinschätzungen („wahrscheinlich Stress“) schreiben? Besser nicht. Bleib bei dokumentierten Fakten und dem aktuellen Status.
Fazit: Sauber antworten, Chancen wahren
Gesundheitsfragen sind kein Minenfeld, wenn du systematisch vorgehst: Wortlaut verstehen, Unterlagen sichten, chronologisch und präzise antworten, Status heute klar benennen und bei Unklarheiten transparent bleiben. Mit einer gut vorbereiteten, anonymen Voranfrage erhöhst du die Trefferquote für normale Annahmen – und wenn Zuschläge/Ausschlüsse kommen, weißt du, woran du bist und kannst gezielt nachbessern.
