Ein guter PV‑Ertrag beginnt nicht auf dem Dach, sondern mit einer sauberen Rechnung. Wer seine Anlage – ob Dach‑PV oder Balkonkraftwerk – ehrlich plant, spart doppelt: bei der Investition (keine überdimensionierten Komponenten) und im Betrieb (maximale Ausbeute pro Euro). In diesem Leitfaden zeige ich dir, wie du deinen Jahresertrag seriös abschätzt, welche Tools wirklich helfen, wie Ausrichtung, Neigung und Verschattung wirken und welche Stellschrauben den Unterschied machen.
Was bedeutet PV‑Ertrag – und wie misst man ihn sinnvoll?
PV‑Ertrag beschreibt die elektrische Energie, die deine Anlage in einem Zeitraum liefert – typischerweise in kWh pro Jahr. Um Anlagen vergleichbar zu machen, nutzt man den spezifischen Ertrag in kWh/kWp (Kilowattstunden pro installiertem Kilowattpeak). So erkennst du, ob Planung und Realität zusammenpassen, unabhängig von der Anlagengröße.
Wichtige Kenngrößen auf einen Blick
Der spezifische Ertrag ist dein Kompass. In Deutschland liegen realistische Jahreswerte je nach Standort und Bedingungen meist zwischen 900 und 1.200 kWh/kWp. Liegt deine Prognose deutlich darüber, prüfe Annahmen zu Ausrichtung, Verschattung und Verlusten. Unterdurchschnittliche Werte deuten oft auf Schatten oder suboptimale Winkel hin.
Von Sonneneinstrahlung zur kWh: die Logik hinter seriösen Schätzungen
Die Ertragsschätzung folgt einer einfachen Kette: Globalstrahlung → Modulfläche & ‑wirkungsgrad → Systemverluste → Wechselrichter → Netz/Verbrauch. Entscheidend ist, jede Stufe realistisch anzusetzen. Theoretische Maximalwerte sind wenig hilfreich; wir rechnen konservativ, damit sich die Anlage in der Praxis rechnet.
Typische Verlustfaktoren (und warum sie wichtig sind)
Zu den Systemverlusten zählen u. a. Temperatur, Leitungen, Wechselrichter, Verschmutzung, Mismatch, Degradation. Seriöse Tools berücksichtigen das, aber Standard‑Voreinstellungen sind oft zu optimistisch. Für erste Faustschätzungen kannst du 10–15 % Gesamtverluste ansetzen; mit Verschattung können es mehr sein.
Die besten kostenlosen Tools für deine Ertragsprognose
Gute Planung braucht keine teure Software. Mit diesen kostenlosen Quellen kommst du zu belastbaren Zahlen – und lernst, die Ergebnisse richtig zu lesen.
PVGIS (EU‑Kommission)
PVGIS liefert standortgenaue solare Einstrahlung und berechnet Leistungsprofile mit Verlustannahmen. Du kannst Ausrichtung, Neigung, Verschattungen (vereinfacht) und Systemparameter einstellen. Wichtig: Exportiere die Monats‑ oder Stundenwerte und prüfe, ob Spitze und Wintermonate plausibel aussehen.
Solarpotenzialkataster deiner Kommune/Landesbehörden
Viele Städte und Bundesländer bieten Katasters mit Dach‑Eignung (Sonneneinstrahlung, Fläche, Neigungswinkel, teilweise Verschattungsanalyse). Sie sind ideal für einen ersten Realitätscheck, vor allem bei komplexer Umgebungsbebauung.
Hersteller‑ und Planer‑Tools
Von Modul‑ und Wechselrichter‑Herstellern gibt es Konfiguratoren (z. B. String‑Planung, MPP‑Fenster, Leistungsverhalten). Sie sind hilfreich, um zu prüfen, ob dein Wechselrichter zur Generatorleistung passt und ob Leistungsoptimierer sinnvoll sind.
Ausrichtung und Neigung: so beeinflussen Winkel deinen Ertrag
Die Sonne steht im Sommer hoch und im Winter tief. Darum wirkt sich der Neigungswinkel (Dachneigung oder aufgeständerte Module) spürbar auf den Jahresertrag aus. Die Ausrichtung (Azimut) legt fest, wann am Tag deine Spitzen auftreten.
Faustwerte für gängige Dächer
Für Deutschland gilt: Süd mit 25–35° Neigung liefert in der Regel die höchsten spezifischen Erträge. Südost/Südwest sind kaum schlechter (typisch −3 % bis −7 %), dafür strecken sie die Produktion über den Tag. Ost/West mit geringer Neigung (10–15°) sind beliebt bei Flachdächern und Balkonen – mit tagesbreiter Produktion, aber meist 10–12 % unter Süd‑Optimal.
Verschattung: der größte (oft unterschätzte) Ertragskiller
Schon wenige Minuten harter Schatten zu Peakzeiten kosten überproportional viel Ertrag. Ursache ist nicht nur die verdeckte Fläche, sondern stringbedingtes Mismatch. Leistungsoptimierer oder Modulwechselrichter können Abhilfe schaffen, ersetzen aber keine gute Planung.
Typische Verschattungsquellen und was sie bedeuten
Bäume wachsen, Nachbarhäuser werden aufgestockt, Sat‑Schüsseln wandern – Verschattung ist dynamisch. Prüfe den Sonnenlauf im Jahresverlauf und plane Reserve ein, statt auf Kante zu rechnen.
So rechnest du deinen PV‑Ertrag in 5 sauberen Schritten
Transparente Planung vermeidet Enttäuschungen. Diese Kurz‑Checkliste führt dich von der Idee zur Zahl, die Bestand hat.
- Standort bestimmen: Koordinaten/Adresse in PVGIS eingeben, Globalstrahlung abrufen, Dachflächen/Brüstung ausmessen.
 - Winkel & Azimut festlegen: Dachneigung prüfen; bei Balkon/Flachdach sinnvolle Aufständerung wählen (z. B. 10–15° Ost/West oder 20–30° Süd).
 - Systemverluste realistisch ansetzen: 10–15 % Standardverluste + Zusatzaufschlag für Verschattung (je nach Situation 5–20 %).
 - String & WR passend dimensionieren: Modulleistung vs. WR‑Nennleistung (DC/AC‑Ratio 1,05–1,3 je nach Ziel), Strings nach MPP‑Fenster.
 - Plausibilitätscheck: Monatswerte ansehen – passt das Profil zu deinem Verbrauch (Morgen/Abend/Weekend) und zur Ausrichtung?
 
Beispielwerte für Deutschland: Orientierung statt Wunschzahlen
Die folgende Tabelle gibt dir realistische Bandbreiten für spezifische Jahreserträge in Deutschland. Sie sind keine Garantien, sondern Orientierungswerte bei sauberer Planung ohne harte Verschattung.
| Region/Lage | Typische Ausrichtung/Neigung | Realistische Spanne (kWh/kWp·a) | Hinweise | 
| Nord (Küste bis Hamburg) | Süd 25–35° | 900–1.000 | Ost/West −8–12 % | 
| Mitte (NRW, Hessen, Thüringen) | Süd 25–35° | 980–1.080 | leichte Verschattung −5–15 % | 
| Süd (Bayern/B‑W) | Süd 25–35° | 1.050–1.200 | gute Lagen >1.150 | 
| Ost/West (DE weit) | Ost/West 10–15° | 880–1.020 | tagesbreite Produktion | 
| Balkon (≤ 2 kWp) | 30–90° je nach Montage | 650–950 | stark lage‑/wandabhängig | 
Einordnung: Wenn deine Prognose deutlich >1.250 kWh/kWp ausweist, prüfe Parameter und Verluste. Werte <800 kWh/kWp deuten fast immer auf (teil)verschattete Flächen, falsche Ausrichtung oder suboptimale Systemabstimmung.
DC/AC‑Ratio: warum leichtes „Überbelegen“ sinnvoll ist
Oft lohnt es sich, die DC‑Generatorleistung etwas höher zu wählen als die AC‑Wechselrichterleistung (z. B. 1,1–1,3). Dadurch schiebst du mehr Energie in schwächeren Stunden in den MPP‑Bereich, ohne dass seltene Clipping‑Spitzen viel kosten. Wichtig ist, die Herstellervorgaben und MPP‑Spannungsfenster einzuhalten.
Beispiel: 8 kWp DC auf 7 kVA AC
An einem guten Süd‑Dach kann es an wenigen Stunden im Jahr zu Clipping kommen, dafür steigt der Jahresertrag insgesamt. Bei Ost/West‑Feldern ist ein höheres DC/AC‑Verhältnis noch unkritischer, weil Spitzen niedriger sind.
Temperatur, Dreck und Degradation: kleine Faktoren mit spürbarem Effekt
Module liefern bei kühleren Temperaturen mehr Leistung. Deshalb sind Frühjahr und Herbst oft ertragreich, obwohl die Tage kürzer sind. Verschmutzung (Blätter, Staub, Vogelkot) kann 1–5 % kosten – bei Flachdächern mit geringem Neigungswinkel eher mehr. Degradation liegt bei modernen Modulen typischerweise bei ~0,25–0,5 %/a – berücksichtige das in deiner Wirtschaftlichkeitsrechnung.
Reinigungs‑ und Wartungspraxis
Reinigen nur bei sichtbaren Ertragseinbußen oder lokaler Belastung (Pollen, Landwirtschaft). Wartung: Sichtprüfung, String‑Kontrolle, Logging auswerten. Smarte Zähler/Logger zeigen dir, wenn ein String „hinterherhinkt“.
Verschattung professionell bewerten: von Low‑Tech bis 3D‑Modell
Für Balkon‑ und Kleinanlagen reicht oft eine Sonnenbahn‑App (AR‑Overlay) oder die 3D‑Ansicht im Kataster. Für Dach‑PV mit Schornsteinen, Gauben, Bäumen in der Nähe lohnt ein 3D‑Verschattungsmodell (Planer‑Software). Achte darauf, Schatten im Winter zu prüfen – tiefe Sonne, lange Schatten.
Optimierer, Modulwechselrichter & String‑Design
Leistungsoptimierer und Modulwechselrichter können verschattungssensitive Felder stabilisieren, kosten aber Zusatzgeld und erhöhen die Komplexität. Prüfe zuerst, ob String‑Neuordnung, Bypass‑Dioden und WR‑MPP‑Fenster das Problem lösen. Optimierer lohnen vor allem, wenn wenige Module regelmäßig beschattet werden.
Eigenverbrauch vs. Volleinspeisung: was der Ertrag fürs Konto bedeutet
Höherer Eigenverbrauch steigert die Ersparnis pro kWh, weil du teuren Netzstrom ersetzt. Eine reine Ertragsjagd ohne Blick auf das Lastprofil verschenkt Potenzial. Plane Ertragsspitzen so, dass Waschen, Spülen, Laden in die PV‑Zeit fallen. Mit kleinem Speicher oder Smart‑Home‑Schaltzeiten holst du mehr aus denselben kWh.
Balkonkraftwerk: kleine Leistung, großer Hebel
Selbst 800–2.000 kWh/a aus einem 600–2.000 W Balkon‑Setup können 25–50 % deines Haushaltsgrundverbrauchs decken, wenn es tagsüber läuft. Der Timing‑Fit zwischen Produktion und Verbrauch ist hier wichtiger als Maximalausbeute – deshalb sind Ost/West oder Süd‑Südwest oft besser als striktes Süd mit hohem Winkel.
Realistische Wirtschaftlichkeitsrechnung: so vermeidest du Schönrechnerei
Starte mit spezifischem Ertrag (kWh/kWp), multipliziere mit deiner geplanten kWp und ziehe Verluste realistisch ab. Setze Eigenverbrauchsquote (z. B. 25–50 % ohne Speicher, 40–70 % mit) und Strompreis an. Rechne in Szenarien (konservativ, realistisch, optimistisch) und prüfe die Sensitivität: Was passiert, wenn die Erträge 10 % niedriger ausfallen?
Beispielrechnung (vereinfachte Orientierung)
Angenommen 6 kWp Dach‑PV, 1.050 kWh/kWp spezifischer Ertrag, 12 % Systemverluste → ca. 5.544 kWh/a. Bei 40 % Eigenverbrauch ersetzt du 2.218 kWh Netzstrom. Bei 0,30 €/kWh sparst du ~665 €/a allein über Eigenverbrauch; Rest fließt in Einspeisung (je nach Tarif/Modell). Variiere Winkel, Verschattung und Eigenverbrauch, um die Bandbreite zu verstehen.
Monatsprofile verstehen: warum Winter zählt – aber nicht entscheidet
Viele sind überrascht, wie flach der Winter läuft. In Deutschland kommen 60–75 % der JahreskWh zwischen April und September. Darum ist ein Sommer‑Peak‑Fit mit deinem Verbrauch entscheidend. Wenn du Wärmepumpe oder E‑Auto hast, achte auf Lade‑/Betriebszeiten und plane ggf. Ost/West für breitere Verteilung.
Ertragsspitzen glätten
Mit Ost/West‑Feldern, DC/AC‑Ratio >1, Leistungsbegrenzung und flexiblen Lasten glättest du die Tageskurve. Das erhöht oft den Eigenverbrauch und die Netzverträglichkeit – und senkt Clipping‑Verluste.
Messbare Qualitätsmerkmale in der Planung
Fordere von Planern Stundenprofile, Verlustaufschlüsselung (Temperatur, Leitungen, WR, Mismatch, Verschattung), DC/AC‑Ratio, Stringplan und Plausibilitätscheck gegen PVGIS/Kataster. Nur so lassen sich Angebote objektiv vergleichen.
Toleranzen & Sicherheit
Arbeite mit Bandbreiten (±5–10 %) statt einer einzigen Zahl. Hinterlege Annahmen schriftlich: Standort, Winkel, Modul‑/WR‑Typ, Verluste, Verschattung, Eigenverbrauch. So vermeidest du Missverständnisse und kannst später fair bewerten, ob die Anlage „liefert“.
Häufige Fehlannahmen – und wie du sie vermeidest
- „Süd ist immer viel besser.“ – Süd ist gut, aber eine passende Ost/West‑Strategie kann wirtschaftlich überlegen sein.
 - „Optimierer lösen jeden Schatten.“ – Sie helfen selektiv, ersetzen aber keine gute Flächenwahl.
 - „Mehr kWp = automatisch mehr Ersparnis.“ – Nur, wenn du verbrauchsseitig mitkommst oder Einspeisung attraktiv ist.
 
Balkon‑Spezial: Wand, Brüstung, Aufständerung
Bei vertikaler Montage (Balkonbrüstung) liefert das Modul im Winter/Schlechtwetter relativ gut, im Sommer weniger. Eine leichte Aufständerung (10–15°) kann den Jahresertrag erhöhen, sofern die Statik stimmt und der Schattenwurf (eigene Brüstung!) berücksichtigt wird. Prüfe auch Windlast, Befestigung und Kabelwege.
Schatten am Balkon praktisch einschätzen
Beobachte die Fassade an hellen Tagen: Wann werfen eigene Balkonplatten, Geländerstreben oder Bäume Schatten aufs Modul? Ein stündliches Foto über mehrere Tage gibt dir ein gutes Gefühl, wann die wichtigsten Produktionsfenster frei sind.
Daten nutzen: Logger, Smart‑Meter, Tarife
Mit Ertragsloggern (WR‑App, Smart‑Meter) erkennst du Abweichungen früh. Wer dynamische Tarife nutzt, kann gezielt in PV‑reichen Stunden Geräte starten oder Speicher nachladen. Das erhöht den Wert deiner kWh – selbst wenn der reine Ertrag unverändert bleibt.
Benchmarks pflegen
Lege dir ein einfaches Dashboard an: kWh/kWp pro Monat, Eigenverbrauchsquote, Peakleistung, Schattenereignisse (Sturm, Laub). Schon nach einem Jahr siehst du, wo die Praxis von der Theorie abweicht – und kannst nachjustieren.
Quick‑Wins zur Ertragssteigerung ohne große Umbauten
Oft helfen kleine, günstige Maßnahmen – genau dort liegt das Sparpotenzial.
- String neu sortieren: Problemmodule (Frühschatten) bündeln, statt sie über mehrere Strings zu verteilen.
 - Aufständerung anpassen: +5–10° an der richtigen Stelle bringt häufig mehr als ein teurer Optimierer.
 - Leitungsquerschnitt prüfen: Weniger Spannungsabfall = messbarer Mehrertrag, vor allem bei langen Wegen/Balkon‑Setups.
 
Fazit: Realistisch planen, ehrlich messen, gezielt optimieren
PV lohnt sich, wenn die Erwartung zur Realität passt. Wer mit kWh/kWp denkt, Verluste nicht romantisiert, Verschattung ernst nimmt und Lasten in die Sonne schiebt, holt mehr aus jeder investierten Euro. Die Tools liefern dir die Daten – die Plausibilitätsprüfung macht daraus eine tragfähige Entscheidung.
FAQ: Kurz beantwortet
Wie genau ist PVGIS? Es ist als kostenfreier Standard gut brauchbar. Stelle Verluste realistisch ein und nutze Monats-/Stundenprofile. Für komplexe Verschattung bleibt ein Profi‑Modell genauer.
Welche Ausrichtung ist wirtschaftlich am besten? Rechne nicht nur die kWh, sondern den Eigenverbrauchsfit mit. Ost/West kann trotz etwas weniger kWh mehr Euro bringen.
Lohnt sich ein Speicher für den Ertrag? Der Speicher erhöht nicht den kWh‑Ertrag, aber die Ersparnis, weil du mehr Eigenverbrauch erreichst. Wirtschaftlichkeit hängt von Preis, Zyklen und Tarif ab.
Wie oft sollte ich reinigen? Nur bei Bedarf. Beobachte Trenddaten. Flachdächer und landwirtschaftliche Umgebung brauchen tendenziell öfter Pflege.
